ABC der tiergerechten Haltung

G – Gruppenhaltung

Grundsätzlich ist die Gruppenhaltung die tiergerechteste Haltung, da sie dem ursprünglichen Leben der Pferde in der Herde entspricht. Entscheidend für eine gut funktionierende Gruppenhaltung sind neben dem ausreichenden Platzbedarf und der Trennung der Funktionsbereiche die Sachkenntnis des Betriebsleiters und ein gut durchdachtes Management.

Es gibt verschiedene Formen der Gruppenhaltung, beginnend bei der Innenlaufstallhaltung, bei denen die Pferde in der Gruppe leben, aber keinen freien Zugang zu einem Auslauf haben bis hin zum Offenlaufstall, bei dem die Pferdegruppe permanenten Zugang zur Auslauffläche hat. Für all diese Formen der Gruppenhaltung gibt es dann noch die Ausführungsformen mit oder ohne Unterteilung in die Funktionsbereiche Fressen, Liegen, Ruhen, Laufen und Trinken.

Nicht zu vergessen ist auch die komplette Weidehaltung in der Herde mit Weideunterstand, die vorwiegend im Aufzuchtbereich eingesetzt wird.

Für die Gruppenhaltung gelten generell die gleichen Anforderungen wie im sonstigen Stallbereich und in den Einzelboxen, nämlich ein trockener rutschfester Untergrund im Auslaufbereich, sowie die saubere trockene verformbare Einstreu im Liegebereich damit keine gesundheitlichen Schäden wie Mauke und Strahlfäule auftreten und die Luftqualität im Stall gewährleistet ist.

In einer gut funktionierenden Gruppenhaltung sind die darin lebenden Pferde meist sehr ausgeglichen, gesund und mit einer guten Grundkondition ausgestattet. Ihre arttypischen Grundbedürfnisse können sie in den meisten Funktionsbereichen zufriedenstellend leben und ihr Zeitbudget entspricht weitestgehend dem freilebender Steppentiere.

Als Herdentier, das in der Wildnis im Familienverband lebt, kann das Pferd hier sein Bedürfnis nach Sozialkontakten und Freundschaften ausleben. Wichtig ist, dass die Pferde in der Gruppe ihre Individualdistanz, d.h. den individuellen Abstand, den die einzelnen Tier voneinander halten, um Aggressionen zu vermeiden. Diese Abstände bestimmen sich durch die Rangordnung – je größer der Abstand in der Rangordnung der Pferde voneinander ist, desto größer ist die Individualdistanz zwischen den Tieren. Auf diese Weise werden ernste Auseinandersetzungen in der Gruppe vermieden.

Es ist also für eine erfolgreiche Gruppenhaltung erforderlich, dass das Raumangebot so groß ist, dass die Tiere sich ausweichen und auf diese Weise friedlich miteinander leben können. Sachgassen und spitze Winkel, in die rangniedrige Tiere getrieben werden können, sind unbedingt zu vermeiden. Auch der Stall sollte über zwei Türöffnungen verfügen, damit rangniedrige Tiere ausweichen können.

Die Trennung der Funktionsbereiche sorgt für eine Verteilung der Pferde in der Gruppe. An Heuraufen oder sonstigen Fressplätzen, die gleichzeitiges Fressen ermöglichen, müssen mindestens für alle Tiere gleichzeitige Fressplätze zur Verfügung stehen –  besser noch ist ein Überangebot an Fressplätzen, damit rangniedrige Tiere auch wirklich in Ruhe zum Fressen kommen. Hier muss dem Bedürfnis der Pferde nach gleichzeitigen und gemeinsamen Fressen Rechnung getragen werden.

Für die Zusammenstellung der Gruppe trägt der Betriebsleiter mit seiner Sachkenntnis die Verantwortung. Er muss die Verträglichkeit der Pferde untereinander berücksichtigen und Tiere, die als Aggressoren in einer Gruppe auftreten, rausnehmen. Zu diesem Zweck ist es sinnvoll, gerade in größeren Anlagen, mindestens zwei Gruppen zu bilden, die man entsprechend ihrer Verhaltensweisen, Neigungen und evtl. auch unter Berücksichtigung des Geschlechts zusammenstellt.

Zur Verringerung der Verletzungsgefahr in der Gruppe ist es empfehlenswert, nur Pferde einzugliedern, die an den Hinterhufen nicht beschlagen sind. In Ausnahmefällen bildet der Beschlag mit Plastikeisen eine Alternative, auf die bei gut integrierten Tieren zurückgegriffen werden kann.

Die Trennung in überwiegend Stuten- und Wallachgruppen empfiehlt sich, wenn Wallache dazu neigen, den Stuten gegenüber Hengstverhalten aufzuzeigen. Hier kann es neben unerwünschten Deckaktivitäten auch zu aggressivem Besitzverhalten kommen.

Häufig kann man feststellen, dass ein Pferd, das in der einen Gruppe deutliche Unverträglichkeiten aufzeigt, in einer anderen Gruppe zufrieden ist und Freunde bzw. Spielkameraden findet.

Auch die Bildung einer separaten Gruppe für alte Pferde bietet sich an, wenn die Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Ältere Pferde haben oft von jüngeren Tieren abweichende Gewohnheiten, ihr Fütterungs- und  Bewegungs- und Ruhebedürfnis verändert sich mit zunehmenden Alter und der Pflegeaufwand für diese Pferde erhöht sich. In kleineren, ruhigen Gruppen sind sie oft besser aufgehoben und kommen eher zur Ruhe.

Die natürliche Gruppengröße sollte nicht mehr als 20 Pferde betragen, angelehnt an die in der Wildnis lebenden Herden. Bis zu diesen Gruppengrößen ist es gewährleistet, dass die Pferde sich untereinander gut kennen und ein reibungsloses Miteinander möglich ist.

Pferde, die nicht im Sozialverband groß geworden sind, lassen sich oft nicht in eine Gruppe eingliedern, da sie als Fohlen bzw. in der Zeit der Aufzucht kein Sozialverhalten gelernt haben. Diese Pferde haben häufig Angst vor den anderen Pferden, da sie ihre Ausdrucks- und Verhaltensweisen nicht richtig deuten können. Sie halten sich abseits oder reagieren unangemessen mit deutlichen Aggressionen auf andere Pferde. Solche Pferde sind für die Gruppenhaltung nicht geeignet und leben dort in einer dauerhaften Stresssituation.

Die Eingewöhnung eines neuen Pferdes in eine Pferdegruppe muss sehr behutsam erfolgen. Der verantwortliche Betriebsleiter sollte dazu neben der erforderlichen Sorgfalt über eine hohe Fachkompetenz bezüglich des Pferdeverhaltens verfügen. Für die Eingewöhnung in die Gruppenhaltung ist es unerlässlich, dass eine Quarantäne- und Eingewöhnungsbox vorhanden ist. Mehr dazu erfahren Sie unter Q – Quarantäne- und Eingewöhnungsbox.

In der Eingewöhnungsbox nimmt das Pferd aus gesichertem Umfeld heraus Kontakt zur Gruppe auf und verbleibt dort solange, bis erste Freundschaften mit Tieren aus der Gruppe geschlossen sind. Ideal ist es, wenn das Pferd zunächst mit einzelnen Pferden zusammen sein kann, sodass es vor dem ersten Betreten der Gruppe schon einzelne Pferde näher kennt. Auch die „Ortsbesichtigung“ des Auslaufs sollte ohne die dort bereits lebende Gruppe stattfinden.

Wird das Pferd das 1. Mal in die Gruppe gelassen, dann nur für kurze Zeit und unter Aufsicht der Betriebsleitung, sodass im Notfall eingegriffen werden kann. Die Aufenthalte in der Gruppe werden nun täglich verlängert, bis das Pferd ganz in der Gruppe verbleiben kann.

Die Eingliederungszeit wird von den Pferden und ihrem Wesen bestimmt. Manche Tiere nehmen sehr schnell Kontakt auf, andere benötigen mehr Zeit für diesen Prozess. Hier ist eine gute Beobachtungsgabe erforderlich. Ebenso kann es sinnvoll sein, das neue Pferd in der Anfangszeit noch einmal stundenweise in die Box zu stellen und in Ruhe fressen zu lassen, wenn es sich vielleicht noch nicht selbstbewusst genug an die Futterstellen traut.

Generell ist zu erkennen, dass Pferde sich in eine größere Gruppe leichter und schneller eingliedern lassen als in eine kleine Pferdegruppe, da die Chance, einen Freund zu finden, einfach größer ist.

Des Weiteren spielt auch die Jahreszeit bei der Eingliederung eine nicht unerhebliche Rolle. Während im Sommer die Weiden zum Kennenlernen und zur Eingliederung zur Verfügung stehen, steht im Winter nur der Auslauf zu Verfügung. Hier gibt es Futter nur auf relativ engem Raum und nicht weit verteilt wie auf der Weide. Der Rangordnung und dem Fluchtverhalten ist bei einer Eingliederung im Winter noch größere Aufmerksamkeit zu schenken.

Wenn Pferde, die fest in der Gruppe leben, für einige Tage aus der Gruppe herausgenommen werden, gibt es in der Regel keine Probleme bei der Rückkehr. Handelt es sich jedoch um eine längere Zeitspanne, sollte das Pferd als Vorsichtsmaßnahme wie ein neu einzugliederndes Pferd in der Eingewöhnungsbox untergebracht werden, bis es wieder zur Gruppe stößt.

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