ABC der tiergerechten Haltung

F – Fütterung und natürliches Fressverhalten

Pferde sind aus ihrer Entwicklungsgeschichte heraus Grasfresser. Ihr Verdauungssystem ist auf rohfaserreiche und energiearme Ernährung eingestellt. Die aufgenommene Nahrung wird in der freien Wildbahn in langsamer Fortbewegung über einen Zeitraum von bis zu 12 bis 16 Stunden aufgenommen, abhängig vom Nahrungsangebot. Ihr Verdauungstrakt ist mit einem kleinen Magen und einem sehr ausgeprägten Darmtrakt auf diese Art der Fütterung eingestellt. Das hat sich bis in die heutige Zeit nicht geändert.

Generell gilt in der heutigen Pferdehaltung die Versorgung der Pferde mit ausreichend Raufutter als oberstes Gebot. Während in der Einzelhaltung die Pferde mindestens zweimal täglich mit ausreichend Raufutter versorgt werden sollten, können in der Gruppenhaltung Heu über Fressständer, computergesteuerte Fütterungsautomaten oder über Heuraufen zur Verfügung gestellt werden. Als Faustregel gilt, dass die Fresspausen der Pferde 4 Stunden nicht übersteigen sollten.

Pferde fressen am liebsten in der Gemeinschaft. Pferde in einer Gruppenhaltung mit ad libitum-Heufütterung und der Vorhaltung von ausreichend gleichzeitigen Fressplätzen verhalten sich ähnlich wie in der freien Wildbahn. Sie fressen so lange, bis ihr Kaubedürfnis gestillt ist und ein Bedürfnis aus einem anderen Funktionskreis wichtiger ist. Da Pferde keine Dehnungsrezeptoren im Bereich des Magens haben, gibt es von dieser Seite aus keine Auswirkungen auf die Fresszeiten.

Die Fresszeiten können durch das Anbringen von engmaschigen Futternetzen über Heuraufen oder von sehr schmalen Gitterstäben in Sparraufen verlängert werden, wobei die Futteraufnahme insgesamt erschwert und verringert wird. Das ist besonders für leichtfuttrige Pferde interessant.

Bei der Fütterung in der Einzelbox sollte dringend darauf geachtet werden, dass die Pferde ca. 15 min vor den Kraftfuttergaben zumindest eine kleine Menge Heu zur Verfügung gestellt bekommen. Das Heu muss vom Pferd gut gekaut und eingespeichelt, während das Kraftfutter meist in sehr kurzer Zeit heruntergeschlungen und wenig eingespeichelt wird. Des Weiteren sorgen die Raufuttergaben im Vorfeld für etwas Entspannung vor dem Highlight der Kraftfuttergaben und ist daher psychisch und ernährungsphysiologisch als günstig zu betrachten. In einer Zeit, in der viele Reitpferde unter Magengeschwüren leiden, ist das eine Möglichkeit, diesem Umstand entgegen zu wirken.

Hier sorgen auch die im Vorfeld beschriebenen computergesteuerten Fütterungsautomaten mit ihrer gleichzeitigen Fütterung in vielen kleinen Portionen für deutlichen Stressabbau und sind ernährungsphysiologisch als sehr positiv zu bewerten.

Auch Fressstände ermöglichen die arttypische, synchrone Nahrungsaufnahme von Pferden. Diese Fütterung ist für die Pferde besonders stressarm. Gleichzeitig ermöglicht sie die individuelle Futterzuteilung für die einzelnen Pferde. Entscheidend ist, dass für jedes Pferd ein Fressplatz zur Verfügung steht.

Die Fütterung, besonders von Raufutter, sollte entsprechend der natürlichen Fresshaltung des Pferdes möglichst bodennah erfolgen, wobei auf ein verletzungsarmes Anbringen von Trögen und sonstigen Boxeneinrichtungen zu achten ist. Für die Heufütterung in der Box bieten sich Sparraufen oder die bodennahe Fütterung an, gut geeignet ist auch die Fütterung am Futtertisch mit Durchfressgitter.

Der Raufutterbedarf der Pferde wird weiterhin durch die mit Stroh eingestreute Box oder Liegehalle in der Gruppenauslaufhaltung gedeckt.

Pferde fressen selektiv, besonders wenn genügend Futterangebot vorhanden ist. Futter, das geschmacklich oder vom Geruch her nicht einwandfrei ist, wird ausgesondert. Hierzu zählen auch Pflanzen mit Bitterstoffen, die von den Pferden nicht gefressen werden.

Auf den Weiden kann man beobachten, dass Pferde die Stellen, auf denen sie ihren Kot abgesetzt haben, nicht beweiden. Hier bilden sich sogenannte Geilstellen, an denen oft Sauerampfer oder Brennnesseln wachsen, die von den Pferden nicht gefressen werden. Diesem Umstand ist durch eine sorgfältige Weidenpflege entgegenzuwirken.

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E – Einzelhaltung

Die Einzelhaltung in Boxen oder Paddockboxen kann als tiergerecht angesehen werden, wenn die Bedürfnisse des Pferdes nach Sicht- und Berührungskontakt mit Artgenossen, sowie ausreichend freier Bewegung gesichert sind. Des Weiteren sind dazu auch die fütterungstechnischen Bedürfnisse des Pferdes, d.h. ausreichende Versorgung mit Raufutter über mehrere Stunden zu berücksichtigen. Es müssen also auch hier alle Funktionsbereiche des Pferdeverhaltens zufriedenstellend abgedeckt werden, um die Tiergerechtheit zu gewährleisten.

Eine tiergerechte Pferdebox ist groß, hell und luftig, sie ermöglicht den Sicht- und Hör- und Geruchskontakt zu anderen Pferden und lässt  zumindest teilweise eine Beobachtung der Haltungsumgebung zu.  Das Komfortverhalten der Pferde ist durch bestimmte Mindestgrößen der Box, auch bezogen auf Länge und Breite sicherzustellen

Die Einstreu in der Box muss sauber, trittsicher, rutschfest, trocken und verformbar sein. Pferde legen sich ungern auf hartem oder nassem Untergrund ab, was zu einer Verkürzung der Liegezeiten führen kann. Längeres Stehen auf nasser Einstreu kann zu Strahlfäule und Mauke führen und erhöht außerdem die Schadgaskonzentration durch Ammoniakbildung.

Geeignete Einstreumaterialien sind Stroh oder Späne, die eine entsprechende Saugfähigkeit aufweisen, um den Harn zu binden und dem Pferd eine weiche geeignete Unterlage zu bieten. Die Einstreu mit Stroh dient gleichzeitig der Deckung des Raufutterbedarfs zusätzlich zum Heu.

Die Sauberkeit der Einstreu ist durch tägliches Entfernen der Pferdeäpfel und der feuchten Einstreu sowie der ausreichenden Nachstreu zu gewährleisten.

Die Paddockbox ist die tiergerechteste Variante der Einzelhaltung, da sie meist Sozialkontakt zu den Boxennachbarn und den Genuss von Sonnenlicht und Frischluft ermöglicht. Für die stressfreie Unterbringung der Pferde ist auf die Verträglichkeit zwischen den benachbarten Tieren zu achten. Kommt es zu agonistischem Verhalten zwischen den Boxnachbarn, sollte hier unbedingt eines der Tiere umgestellt werden.

Nicht tiergerecht ist die Unterbringung von Pferden auf Spänen oder anderen nicht zum Verzehr geeigneten Materialien bei stark rationierter Heuvorlage, da in diesem Fall das Kaubedürfnis des Pferdes nicht sichergestellt ist. Auch hochgeschlossene Boxen ohne Fenster, die das Beobachten der Umgebung und Kontakt zu Artgenossen nicht zulassen, sind nicht tiergerecht.  Die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter solchen Lebensumständen die Anpassungsgrenzen der Pferde überschritten werden und sich Verhaltensstörungen wie Koppen, Weben, Boxenlauf etc. ausbilden, ist relativ hoch.

Ganz wichtig ist jedoch zu erkennen, dass sich nicht jedes Pferd in der Gruppenhaltung wohlfühlt und stressfrei eingewöhnt. In diesen Fällen ist eine tiergerechte Einzelbox oft die bessere Alternative für das individuelle Pferd.

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D – Domestikation des Pferdes

Vor ca. 5000 Jahren  begann die Domestikation des Pferdes, d.h. die Wildpferde wurden zu Haustieren der Menschen. Es wurden ganze Pferdegruppen von den Menschen gefangen und eingepfercht. Die Pferde wurden von dieser Zeit an vom Menschen versorgt. Nur Tiere, die sich auch zähmen ließen, wurden damals behalten und zur Vermehrung eingesetzt.

Während die Wildpferde sich sehr ähnlich sahen und durch natürliche Selektion ihrem damaligen Umfeld angepasst waren, entstanden über Jahrhunderte durch die gezielte Zucht der Menschen die heutigen Hauspferde mit ihrer großen Vielfalt an Farben, Größen, Abzeichen und speziellen Fähigkeiten (Dressur, Springen und viele mehr).

Seine angeborenen Verhaltensweisen, die sich im Laufe der Evolution und seiner Entwicklung vom waldbewohnenden mehrzehigem und kleinem Laubfresser (Eohippus) zum steppenbewohnenden, grasfressenden Einhufer entwickelt haben, sind von der Domestikation weitgehend unverändert geblieben. Die arttypischen Verhaltensweisen und Grundbedürfnisse der Pferde sind noch immer maßgeblich geprägt vom Pferd als Steppen-, Flucht- und Herdentier.

Daran hat auch die Pferdezucht nichts geändert, die durch gezielte Anpaarungen die Pferde über Generationen auf bestimmte erwünschte Merkmale selektiert hat.  Das heutige Hauspferd unterscheidet sich vom Wildpferd neben seiner heutigen Vielfalt lediglich dadurch, dass es zahm ist und sich seine natürliche Sinneswahrnehmung vermindert hat, da das Fehlen von natürlichen Feinden diese nicht mehr in ausgeprägtem Maße erforderlich macht.

ABC der tiergerechten Haltung

C –Computergesteuerte Fütterung

In vielen modernen Ställen wird heute sowohl in Einzelboxen, als auch in der Gruppenhaltung über computergesteuerte Fütterungsautomaten gefüttert.

Die Vorteile dieser Fütterung liegen klar auf der Hand:

In der Boxenhaltung wird durch die zeitgleiche Fütterung deutlich Stress abgebaut, der durch Futterneid der Pferde und die Verzögerungen, die in der manuellen Fütterung zwangsläufig auftreten, entstehen. Dieser Stress kann von der Entwicklung von Unruhe und aggressiven Verhaltensweisen bis zum Auftreten von Magengeschwüren bei einzelnen Pferden führen.

Durch die Automatisierung der Fütterung ist es problemlos und ohne personellen Mehraufwand möglich, die Fütterungsintervalle zu verkürzen und die Kraftfutterration auf viele kleine Portionen aufzuteilen. Damit wird dem angeborenen Fressverhalten der Pferde und den physiologischen Besonderheiten ihres Verdauungstraktes Rechnung getragen. Untersuchungen des Wissenschaftszentrums Weihenstephan der TU München haben ergeben, dass die Verteilung auf 10 Mahlzeiten dem natürlichen Fressrhythmus der Pferde entspricht.

Der sehr kleine Magen der Pferde ist nicht in der Lage, große Portionen an Kraftfutter gut  zu verdauen. Durch die Aufteilung der Kraftfutterration auf mehrere Portionen werden dem Magen mehrmals täglich kleine Kraftfuttermengen zugeführt, die er komplett mit Magensäure zersetzen und für die weitere Verarbeitung im Darm optimal vorbereiten kann.

In der Gruppenhaltung sorgen häufig Abrufautomaten für die computergesteuerte Zuteilung der Kraftfutter- bzw. der Raufutterration. Jedes Pferd wird mit einem Chip ausgestattet, der mittels Halsband befestigt oder implantiert wird. So wird am Computer die individuelle Futterzuteilung des Pferdes eingestellt

Auch hier sorgt eine Fütterungshäufigkeit von 10 Portionen am Tag für die Anpassung an den natürlichen Fressrhythmus der Pferde und gewährleistet, dass die Frequentierung der Abrufstation nicht zu groß wird und damit Aggressionen unter wartenden Pferden zunehmen.

Beim Bau von Abrufstationen sind wieder die Aspekte der Tiergerechtheit zu beachten, um eine stressfreie Nutzung zu gewährleisten. Dazu zählt zum einen die Aufstellung der Station in einem eigenen Funktionsbereich, zum anderen muss auch rangniedrigen Tieren die stressfreie Fütterung ermöglicht werden. Bei dem Vorhandensein von Kraft- und Raufutterstation sind diese unbedingt in unterschiedlichen Funktionsbereichen und räumlich voneinander getrennt anzuordnen.

Sichtkontakt zur Herde muss genauso gegeben sein, wie der Schutz des Pferdes vor der Herde auf gesamter Länge durch eine Trennwand. Eine Durchlaufstation mit Eingangssperre sowie einer Pendel-Ausgangstür mit Rücklaufsperre sichert dem Einzelpferd eine ruhige Futteraufnahme zu. Der Ausgang sollte in einen anderen Funktionsbereich erfolgen.

Wichtig ist auch, rangniedrigen Tieren genügend Ausweichmöglichkeiten im Bereich der Kraftfutterstation zur Verfügung zu stellen.

Ein Nachteil der computergesteuerten Fütterungsautomaten in der Auslaufhaltung ist, dass die Pferde ihrem Bedürfnis, gleichzeitig Nahrung aufzunehmen, nicht nachkommen können. Durch das Aufstellen von Heu- oder Strohraufen in einem gesonderten Funktionsbereich, die mindestens für alle Tiere der Gruppe einen Fressplatz vorsehen und so zeitgleiche Futteraufnahme ermöglichen, kann ein sinnvoller Ausgleich geschaffen werden. Die Futteraufnahme kann hier durch Heunetze, die über die Ballen gespannt werden, verlangsamt und reduziert werden.

Achtung: Anlagen mit stromgeführter Austriebsschranke gelten als nicht  tiergerecht.

ABC der tiergerechten Haltung

B – Bewegung

Das Pferd hat Steppentier ein essentielles Bedürfnis nach einem hohen Maß an Bewegung, das vom Reiter durch das tägliche Reiten nicht gedeckt werden kann.

Es gilt, das Bewegungsbedürfnis und den Bewegungsbedarf der Pferde zu unterscheiden.

Das Bedürfnis der Pferde, sich zu bewegen, wird durch entsprechende Bewegungsanreize erzeugt, die zum einen durch Durst und Hunger, zum anderen durch die Artgenossen (Spiel) oder Anreize von außen (Flucht) entstehen.

Der Bewegungsbedarf ist die Menge an Bewegung, die erforderlich ist, das Pferd physisch und psychisch gesund zu erhalten.

Unter natürlichen Bedingungen bewegt sich das Pferd im Sozialverband durchschnittlich bis zu 16 Stunden am Tag in langsamer Gangart fort, wobei es vom Boden energiearme und rohfaserreiche Nahrung zu sich nimmt. Der Bewegungsanreiz
erfolgt durch die Verteilung der Futter- und Wasserstellen.

Das Bewegungsbedürfnis der Pferde ist bei jungen Tieren und Hengsten größer als bei älteren Tieren und äußert sich in darin, dass die Tiere größere Strecken im Trab oder Galopp zurücklegen oder miteinander spielen.

Aus physiologischer Sicht ist der gesamte Bewegungsapparat des Pferdes auf diese Lebensweise ausgerichtet – das hat sich auch während der über 5000 Jahre währenden Domestizierung nicht geändert.

Bewegungsmangel führt zu Elastizitätsverlusten der Sehnen, Bänder und Gelenke und erhöht die Verletzungsgefahr für den Bewegungsapparat. Er kann Ursache von Verhaltensauffälligkeiten sein und bedingt häufig auch Schäden des Atmungssystems.

Ist der Bewegungsbedarf der Pferde gedeckt, wird in den Gelenken ausreichend Gelenkschmiere gebildet, die die Sehnen und Bänder geschmeidig hält. Die Atemwege werden durch einen Selbstreinigungsmechanismus gesund erhalten, der Stoffwechsel
wird aktiviert und das Herz-Kreislauf-System trainiert, was in Summe der Gesunderhaltung der Pferde dient.

Solange das Pferd dem Menschen als Arbeitspferd diente und den ganzen Tag auf dem Feld arbeiten musste, hatte es ausreichend Bewegung und konnte seine Nächte und die kurzen Ruhephasen unbeschadet zur Not auch in der Ständerhaltung verbringen, ohne gesundheitliche Schäden davonzutragen.

Als Sport- und Freizeitpartner des Menschen verbringt das Pferd heute oft außerhalb der Arbeit unter dem Sattel 23 Stunden in seiner Box und kann sein Bedürfnis nach freier Bewegung nur stillen, wenn es Weidegang oder Auslauf im Paddock bekommt.
Ist das nicht der Fall, weisen häufig dicke Beine auf das Vorliegen von Bewegungsmangel hin. Die gezielte Bewegung unter dem Sattel oder in der Führanlage deckt nicht den Bedarf der Pferde nach freier Bewegung ab.

Der Stehtag, der noch heute in vielen Ställen propagiert wird, dient nur dem Menschen und ist für Pferde physisch und psychisch ungeeignet. Der freie Auslauf sollte den Pferden täglich geboten werden, um ihren Bewegungsbedarf zu decken.

In den Bewegungsställen, die sich immer mehr durchsetzen und die im Idealfall durch die großflächige Verteilung der Futterstellen und das Anlegen unterschiedlicher Funktionsbereiche einen natürlichen Bewegungsanreiz für die Pferde schaffen, fällt es den Tieren leicht, ihr Bewegungsbedürfnis zu stillen.

Aber auch in Bewegungsställen ist die Tiergerechtheit nur gegeben, wenn alle Funktionskreise abgedeckt sind und die fachgerechte Zusammenstellung der Gruppen gegeben ist.

ABC der tiergerechten Haltung

A – Artgerechte Haltung

Die artgerechte Haltung aller Tiere ist bereits im Tierschutzgesetz verankert – hier ist gesetzlich geregelt, wie mit Tieren umzugehen ist.

Artgerechte Haltung bedeutet, dass bei der Haltung von Tieren, in diesem Fall Pferden, die angeborenen Verhaltensweisen und die daraus resultierenden Bedürfnisse zu berücksichtigen und zu gewährleisten hat. Sie ist grundlegend wichtig für die Gesundheit und Gesunderhaltung der Tiere.

Gesundheit definiert gem. der Weltgesundheitsorganisation (WHO) „einen Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheiten und Gebrechen“. Es geht also nicht nur darum, das Verletzungs- und Erkrankungsrisiko durch sachgemäße leistungsgerechte Fütterung und geeignete Haltungssysteme zu gewährleisten. Das geistige und soziale Wohlergehen und daraus resultierend die psychische Gesundheit der Tiere, hier Pferde, kann nur sichergestellt sein, wenn das Lebewesen seine essentiellen, angeborenen Verhaltensweisen äußern und leben kann.

Die artspezifischen Verhaltensweisen von Pferden resultieren
auch mehr als 5000 Jahre nach ihrer Domestikation aus ihrer
ursprünglichen Lebensweise als steppenbewohnender
Grasfresser, Herden- und Fluchttier und sind im Grunde bis heute
unverändert.

Es ist nicht möglich, durch besonders gute Versorgung einzelner
Funktionskreise (z.B. Ernährung) andere, weniger gut abgedeckte
Bereiche (z.B. Bewegung) auszugleichen. Und auch der
liebevollste Pferdebesitzer ersetzt seinem Tier nicht den
Sozialpartner Pferd.

Werden die Anpassungsgrenzen der Tiere in einzelnen Bereichen
überschritten, entwickeln sich quasi als Ausgleichsreaktion – oft
fälschlicherweise als Stalluntugenden abgetan –
Verhaltensstörungen oder auch körperliche Erkrankungen.

Gute Kenntnisse über die natürlichen Bedürfnisse und
Verhaltensweisen von Pferden und deren Umsetzung in
artgerechte Haltung ist aktiver Tierschutz.

Wohnungssuche

Meine reiterliche Ausbildung und mein daraus resultierender kontinuierlicher Umgang mit Pferden begannen im Alter von 12 Jahren in einem Reitstall, der neben Boxen auch noch Ständerhaltung aufwies. Ich erinnere mich noch daran, wie mir die angebundenen Pferde, die den ganzen Tag an die Wand sahen, mir leid taten und ich das mir anvertraute Pferd verbotener Weise oft umgedreht im Ständer stehen ließ, damit es wenigstens etwas von seiner Umgebung sehen konnte. Ständerhaltung war damals noch ganz legal, während sie inzwischen in Deutschland per Gesetz verboten ist.

So lernte ich im Laufe der Jahre ganz passabel reiten und wurde zunehmend mit dem Umgang und der Pflege von Pferden vertraut. Den Abschluss meines Studiums und den Eintritt ins Berufsleben als Bauingenieurin krönte ich mit dem Kauf meines ersten Pferdes.

Der Aufzucht- und Ausbildungsstall, in dem ich das Pferd erstand, war für seine gute Pferdequalität und die qualifizierte Ausbildung der Pferde bekannt und da ich reiterlich so viel wie möglich lernen wollte, ergriff ich die Möglichkeit und stallte mein Pferd für einige Jahre in diesem Stall ein.

Weidegang und Paddockauslauf waren in diesem Betrieb damals nur für die nicht gerittenen jungen Pferde möglich, mir schien es auf lange Sicht unerlässlich für erfülltes Pferdeleben und so begab ich mich nach einigen Jahren auf Wohnungssuche für mein Pferd.

Ich fand einen Stall, der meinem Pferd neben seinem Dasein als Turnier- und Reitpferd die Möglichkeit bot, richtig Pferd sein und auf der Weide mit seinen Artgenossen herumzutoben zu dürfen.

Mein berufliches Engagement hatte sich durch selbstständige Tätigkeit mit einem Ingenieurbüro für kommunalen Tiefbau mittlerweile erheblich ausgeweitet und neben meinem Beruf hatte ich inzwischen noch eine kleine Tochter zu versorgen. Es war daher für mich von größter Bedeutung, dass der Weidegang meines Pferdes vom Stallpersonal als Dienstleistung vollbracht wurde und ich meine verbleibende freie Zeit meinem Sport widmen konnte.

Im Laufe der Jahre vergrößerte sich die familieneigene Pferdeherde auf 2 Großpferde und 2 Ponys, da meine Tochter gewissermaßen im Stall groß und bereits bald nach ihrer Geburt vom Pferdevirus infiziert wurde.

Ich konnte mit diesem Stall sowohl meinen beruflichen und familiären Verpflichtungen nachkommen, als auch meinen Pferden durch eine geeignete Haltung gerecht werden, meinen Reitsport ausüben und die reiterliche Ausbildung meiner Tochter fördern. Dafür nahm ich es gern in Kauf, 35 km/Tag und Strecke zu fahren und oftmals ein schlammverkrustetes Pferd aus dem Stall zu ziehen. – Für’s erste war ich damit zufrieden und unsere Wohnungssuche war beendet.

Meiner fortgeschrittenen reiterlichen Ausbildung und Turniervorstellungen bis zur Klasse M folgte die Trainerausbildung und die weitere Auseinandersetzung mit den Aspekten um Ausbildung von Pferd und Reiter und die tiergerechte Haltung von Pferden. Als an der landwirtschaftlichen Fakultät der Georg-August-Universität in Göttingen der Masterstudiengang „Pferdewissenschaften“ angeboten wurde, beschloss ich, mein Ingenieurstudium damit zu ergänzen und mir auf diese Weise die qualifizierte Grundlage für eine berufliche Tätigkeit im Pferdebereich zu schaffen.

In meiner Masterarbeit plante ich den Prototyp eines Pensions- und Ausbildungsstalls, der die Aspekte der tiergerechten Haltung, die Wünsche und Bedürfnisse der Einsteller und die Wirtschaftlichkeit bei der Betriebsführung berücksichtigte.

Mit Beginn dieser Planung war klar, dass ich diesen Stall auch selber bauen und mit Leben erfüllen möchte, bevor ich das Konzept an interessierte Pferdehaltungsbetriebe weitergebe.

Der geplante Stall steht mittlerweile im 10. Jahr als „Reitanlage am Rittergut“ in Hoppensen, erfreut sich der 5-Sterne-Zertifizierung durch die LAG und die FN und wird von mir und meinem Team entsprechend dem von mir erarbeiteten Konzept erfolgreich und mit viel Freude betrieben.

Mit diesem Blog möchte ich einen Teil meines Wissens und meiner Erfahrungen an andere Stallbetreiber, Pferdehalter und –besitzer weitergeben. Ich habe die Aufmerksamkeit weniger auf fachliche und bautechnische Punkte gelenkt, sondern möchte das Bewusstsein dafür wecken, die Pferdehaltung und den Umgang mit Pferden aus der Sicht der Tiergerechtheit und des arttypischen Verhaltens zu betrachten und anzupassen. Häufig sind nicht große bauliche Maßnahmen erforderlich, um die Pferdehaltung tiergerechter zu gestalten. Ein geschärftes Bewusstsein und ein angepasstes Management können bereits zu einem tiergerechteren Umgang und einer verbesserten Pferdehaltung beitragen.

Ich wünsche dem Leser viel Spass bei der Lektüre und den Pferden Besitzer und Halter mit umfangreicher Kenntnis und einem erweiterten Bewusstsein für die wirklichen Bedürfnisse der Pferde.

Ute Rossmayer