H – Herdentier
Das Pferd als Herdentier lebt in der freien Wildbahn im Familienverband, in Junggesellen- oder Hengstgruppen in strenger Hierarchie. Diese Lebensform gewährleistet ein reibungsloses Zusammenleben und gibt den Tieren Sicherheit.
Die Führungsposition übernehmen meist die kräftigsten und erfahrensten Tiere, wobei hier physische und psychische Faktoren zum Tragen kommen. Ranghohe Tiere haben diverse Privilegien gegenüber den rangniedrigen Tieren – ihnen stehen die besten Futter- und Schlafplätze zu und sie haben Vortritt gegenüber den rangniedrigen Tieren. Dafür bieten sie den Rangniedrigen Schutz und Sicherheit, was für deren Wohlbefinden von großer Bedeutung ist.
Zur Einhaltung der Rangordnung werden in der Regel Droh- und Unterlegenheitsgesten eingesetzt, die über Mimik und Körperhaltung zum Ausdruck kommen. Während Drohgebärden (flach angelegte Ohren, nach hinten gezogene Maulwinkel, Hinterhandswinken) meist von den ranghohen Tieren ausgeführt werden, obliegen Unterlegenheitsgesten (Ausweichen, gesenkter Kopf, eingezogener Schweif) den rangniedrigen Tieren. Die Unterlegenheitsgesten ermöglichen es einem rangniedrigen Pferd, sich gefahrlos auch in der Nähe von ranghohen Tieren aufzuhalten.
Aggressives Verhalten mit Schlagen und Beißen wird zum eigenen Schutz nur gezeigt, wenn es unvermeidbar ist, da ernsthafte Verletzungen in der freien Wildbahn schnell zum Tod führen können.
Im Familienverband leben 15 bis 20 Tiere oft ihr ganzes Leben lang zusammen. Angeführt wird der Verband von einem Leithengst und seinen Altstuten und umfasst bis zu 20 Pferden. Die Jungtiere verlassen im Alter von 2 -3 Jahren meist den Familienverband, um einen eigenen Familienverband zu gründen oder sich einem Junggesellenverband anzuschließen. Auf diese Weise bleibt die Gruppengröße meist konstant.
Zusammengehalten werden die Herdenverbände vor allem durch Freundschaften und sozialen Aktivitäten wie Fellpflege. Pferdefreundschaften entstehen oft unter gleichfarbigen Tieren sowie Tieren mit ähnlichem Alter und Interessen.
In Pensionsställen leben oft gemischtrassige oder gemischtgeschlechtliche Pferde zusammen. Hier kann auch eine erfahrene, selbstbewusste Stute die Führungsrolle übernehmen.
Die Gruppenhaltung bietet optimale Möglichkeiten, dem Herdenverhalten der Pferde gerecht zu werden. Die dabei zu berücksichtigenden Elemente sind unter G – Gruppenhaltung beschrieben.
Die Einzelhaltung muss bestimmte Parameter aufweisen, um als tiergerecht zu gelten und damit die Grundbedingungen für die physische und körperliche Gesundheit der Pferde bereitzustellen. Es ist für das Herdentier Pferd unerlässlich, seine Artgenossen sehen, hören und riechen zu können. Auch der direkte Sozialkontakt wie Fellpflege sollte zumindest über Paddocks gewährleistet sein. Mehrstündiger Auslauf mit anderen Pferden ermöglicht dem Pferd, Freundschaften und soziale Kontakte zu pflegen, die zu seinem psychischen Wohlergehen beitragen.