ABC der tiergerechten Haltung

B – Bewegung

Das Pferd hat Steppentier ein essentielles Bedürfnis nach einem hohen Maß an Bewegung, das vom Reiter durch das tägliche Reiten nicht gedeckt werden kann.

Es gilt, das Bewegungsbedürfnis und den Bewegungsbedarf der Pferde zu unterscheiden.

Das Bedürfnis der Pferde, sich zu bewegen, wird durch entsprechende Bewegungsanreize erzeugt, die zum einen durch Durst und Hunger, zum anderen durch die Artgenossen (Spiel) oder Anreize von außen (Flucht) entstehen.

Der Bewegungsbedarf ist die Menge an Bewegung, die erforderlich ist, das Pferd physisch und psychisch gesund zu erhalten.

Unter natürlichen Bedingungen bewegt sich das Pferd im Sozialverband durchschnittlich bis zu 16 Stunden am Tag in langsamer Gangart fort, wobei es vom Boden energiearme und rohfaserreiche Nahrung zu sich nimmt. Der Bewegungsanreiz
erfolgt durch die Verteilung der Futter- und Wasserstellen.

Das Bewegungsbedürfnis der Pferde ist bei jungen Tieren und Hengsten größer als bei älteren Tieren und äußert sich in darin, dass die Tiere größere Strecken im Trab oder Galopp zurücklegen oder miteinander spielen.

Aus physiologischer Sicht ist der gesamte Bewegungsapparat des Pferdes auf diese Lebensweise ausgerichtet – das hat sich auch während der über 5000 Jahre währenden Domestizierung nicht geändert.

Bewegungsmangel führt zu Elastizitätsverlusten der Sehnen, Bänder und Gelenke und erhöht die Verletzungsgefahr für den Bewegungsapparat. Er kann Ursache von Verhaltensauffälligkeiten sein und bedingt häufig auch Schäden des Atmungssystems.

Ist der Bewegungsbedarf der Pferde gedeckt, wird in den Gelenken ausreichend Gelenkschmiere gebildet, die die Sehnen und Bänder geschmeidig hält. Die Atemwege werden durch einen Selbstreinigungsmechanismus gesund erhalten, der Stoffwechsel
wird aktiviert und das Herz-Kreislauf-System trainiert, was in Summe der Gesunderhaltung der Pferde dient.

Solange das Pferd dem Menschen als Arbeitspferd diente und den ganzen Tag auf dem Feld arbeiten musste, hatte es ausreichend Bewegung und konnte seine Nächte und die kurzen Ruhephasen unbeschadet zur Not auch in der Ständerhaltung verbringen, ohne gesundheitliche Schäden davonzutragen.

Als Sport- und Freizeitpartner des Menschen verbringt das Pferd heute oft außerhalb der Arbeit unter dem Sattel 23 Stunden in seiner Box und kann sein Bedürfnis nach freier Bewegung nur stillen, wenn es Weidegang oder Auslauf im Paddock bekommt.
Ist das nicht der Fall, weisen häufig dicke Beine auf das Vorliegen von Bewegungsmangel hin. Die gezielte Bewegung unter dem Sattel oder in der Führanlage deckt nicht den Bedarf der Pferde nach freier Bewegung ab.

Der Stehtag, der noch heute in vielen Ställen propagiert wird, dient nur dem Menschen und ist für Pferde physisch und psychisch ungeeignet. Der freie Auslauf sollte den Pferden täglich geboten werden, um ihren Bewegungsbedarf zu decken.

In den Bewegungsställen, die sich immer mehr durchsetzen und die im Idealfall durch die großflächige Verteilung der Futterstellen und das Anlegen unterschiedlicher Funktionsbereiche einen natürlichen Bewegungsanreiz für die Pferde schaffen, fällt es den Tieren leicht, ihr Bewegungsbedürfnis zu stillen.

Aber auch in Bewegungsställen ist die Tiergerechtheit nur gegeben, wenn alle Funktionskreise abgedeckt sind und die fachgerechte Zusammenstellung der Gruppen gegeben ist.

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